Seit 1990 gibt es eine Bundesliga. In den Jahren danach wurde Deutschland zu einer der besten Frauenfußball-Nationen der Welt. Bisheute ist die DFBAuswahl achtmal Europameister und zweimalWeltmeister geworden. Bei den Olympischen Spielen 2016 in Brasilien holte sie die Goldmedaille. Spätestens die EM 2022 in England hat dafür gesorgt, dass sich immer mehr Menschen in Deutschland für Frauenfußball interessieren. In dieser Saison gehen fast dreimal so viele Zuschauerinnen und Zuschauer zu den Spielen der Bundesliga wie noch vor einem Jahr.
Frauenfußball boomt. Auch weil in vielen Vereinen sehr gute Arbeit geleistet wird. Und man es den Frauen endlich nicht mehr so schwer macht.
Womit wir in Dortmund sind. Auch beim BVB hatte man lange Zeit andere Themen, als eine Frauenmannschaft zu gründen. Während in der Bundesliga Teams vom 1. FC Köln, Werder Bremen, VfL Wolfsburg und Bayern München um die Meisterschaft kämpften, passierte beim BVB: nichts. Svenja Schlenker arbeitet bereits seit 2007 bei Borussia Dortmund.
Sie ist selbst großer BVB-Fan. Früher spielte sie erst mit den Jungs im Schulsport und später im Verein Fußball. Als sie zu Beginn ihrerArbeit in Dortmund mal nachfragte, warum es keine Mannschaft für Frauen gebe, bekam auch sie keine Antwort. Es änderte sich erst etwas, als 2019 im Fanblock ein Spruchband ausgerollt wurde. „Fußball ist für alle da – Frauenteam jetzt!“ stand darauf. Nur einen Tag später fand die BVB-Mitgliederversammlung statt. Und von da an ging alles sehr schnell.
Der Verein gründete eine eigene Frauenfußball-Abteilung. Mit der Dortmund- und Fußballverrückten Svenja Schlenker als Leiterin. Jetzt brauchte es nur noch einen Trainer, eine Mannschaft und viele gute Ideen.
Der Trainer war bald gefunden: Thomas Sulewski ist BVB-Fan und hat den Dortmunder Verein SV Berghofen in die 2. Frauen-Bundesliga geführt. Gemeinsam mit Svenja Schlenker suchte Thomas nun nachgeeigneten Spielerinnen. Eine der ersten Kandidatinnen war Vanessa Kuhl, die damals die E-Mail geschrieben hatte.
Vanessa arbeitete inzwischen ebenfalls bei der Borussia – in der Fußballakademie. Sie sollte mithelfen, eine Mannschaft aufzubauen. Dafür nahm sie ein Trainingsvideo von sich auf. Die ehemalige Nationalspielerin Annike Krahn half ihr dabei. Annike wurde 2007 Weltmeisterin. Heute arbeitet sie als Beraterin beim BVB. Die Aufnahmen von Vanessa dienten als Vorlage für alle weiteren Bewerberinnen. 150 Frauen schickten am Ende so ein Video an den BVB. „Wir haben uns jede Einsendung angeschaut und uns zu jeder Kandidatin Gedanken gemacht“, sagt Thomas Sulewski.
Eine der Glücklichen, die am Ende in die Mannschaft gewählt wurden, war Luisa Bergmann. Auch Luisa arbeitet für Borussia Dortmund. Seit fünf Jahren ist sie im Marketing und Vertrieb tätig. Sie gehörte wie Svenja Schlenker zu der Gruppe, die sich nach der Mitgliederversammlung Gedanken machte über eine mögliche Frauenmannschaft. Erst wollte sie gar kein Bewerbungsvideo schicken. Doch dann ließ sie sich überreden. Jetzt spielt sie schon ihre zweite Saison für die Schwarzgelben.
Die Geschichten von Vanessa und Luisa sind typisch für die Frauen des BVB. Beide spielen schon seit vielen Jahren Fußball, beide sogar ziemlich gut. Und beide haben immer von dem Tag geträumt, da ihr Lieblingsklub eine eigene Mannschaft gründet. Damit sie dann Teil
davon werden. Luisas Papa ist so stolz auf seine Tochter, dass er sich sogar BVBFanartikel gekauft hat. Obwohl er doch eigentlich einen anderen Verein toll findet, den man in Dortmund eher nicht so mag.
Seine Tochter ist für die Kreisliga sogar extra nach Dortmund gezogen. Denn genau dort, in der untersten Liga im Frauenfußball, hat das Abenteuer im Sommer 2021 begonnen. In der allerersten Saison der BVB-Frauen mit der 21-Gruppe als Partner von Stunde null an. „Für mich ging damit ein Traum in Erfüllung. Diese Chance musste ich einfach wahrnehmen“, sagt Luisa Bergmann.
Das muss man sich mal vorstellen. Die Männer in der Champions League, die Frauen in der Kreisliga. Und alle tragen das bekannte BVBLogo auf der Brust. Aber jede muss mal klein anfangen. Der BVB hätte auch die Möglichkeit gehabt, sich bei einem Verein in einer höheren Liga einzukaufen. Aber das wollte man nicht. Sondern lieber aus eigener Kraft von ganz unten nach ganz oben kommen. Am besten so schnell wie möglich.
Inzwischen ist der zweite Aufstieg gelungen. Im Sommer 2022 wurden Vanessa Kuhl, Luisa Bergmann und ihre Mitspielerinnen zunächst Kreismeisterinnen und Kreispokalsiegerinnen. Sogar Svenja Schlenker durfte einmal im BVB-Trikot auflaufen. 2022/23 spielt die Mannschaft von Thomas Sulewski in der Bezirksliga – und stand auch dort vorzeitig als Meister fest. Die meisten BVB-Spielerinnen sind auch für die Bezirksliga einfach zu stark.
„Wir wollen so schnell wie möglich in die Bundesliga“, sagt Svenja Schlenker. Dafür bekommen die Frauen Unterstützung vom Verein. Sie können auf den hochmodernen Sportanlagen trainieren. Sie können den »Footbonaut« benutzen, ein Hightech- Fußballkäfig, in dem man sein Passspiel verbessern kann. So ein Gerät hat in Deutschland sonst nur
die TSG Hoffenheim.
Bei Instagram haben die BVB-Frauen schon über 56.000 Follower. Ihre Spielberichte werden auf www.bvb.de veröffentlicht. Gelegentlich bekommen sie Besuch von den Profis. Deren Trainer Edin Terzić gibt Thomas Sulewski manchmal Tipps. Ex-Torwart Roman Weidenfeller hat schon mal eine Trainingsstunde angeboten. Und vor allem dürfen die Frauen das tun, wofür sie von Millionen Fußballfans beneidet werden. Sie dürfen im Trikot ihrer Lieblingsmannschaft Punktspiele austragen. Für ihren Verein, den fast alle im Team im Herzen tragen. Und das eigentlich sogar im legendären Stadion Rote Erde, gleich neben dem Signal Iduna Park.
Die Zuschauerresonanz ist bemerkenswert. Die Frauen haben bereits eigene Fanklubs. Manche von ihnen sind bei jedem Spiel dabei. Mit großen Fahnen ausgerüstet, verfolgen sie die Partien von der Seitenlinie aus. Svenja Schlenker begrüßt viele von ihnen persönlich. Das ist das Schöne an dieser Mannschaft: Alles ist noch so klein und familiär. Genauso, wie es sich die Fans der Männer so sehr wünschen. Und doch nie wieder bekommen werden. Bei den Frauen gibt es diese entspannte Atmosphäre noch. Ein paar hundert Fans kommen regelmäßig. Beim
Entscheidungsspiel um den Bezirksliga-Aufstieg gegen Brechten II waren es sogar 1.000. Mehr gehen sonst nur zu den Spielen der Bundesligavereine Bayern, Wolfsburg oder Eintracht Frankfurt.
Prominent oder berühmt fühlen sich die Spielerinnen aus Dortmund aber nicht. Vanessa Kuhl sagt: „Neulich wurde ich im Autohaus von einer jungen Frau erkannt. Selbst in meinen Alltagsklamotten.“ Das hat Vanessa gefallen. Aber sie weiß auch, woran das lag. „Wenn ich bei einem anderen Verein spielen würde, würde sich niemand für mich interessieren.“ Wie ihre Teamkolleginnen spielt sie aus anderen Gründen beim BVB. Weil sie Fan des Vereins ist. Und weil so eine Chance nie wieder kommt. Vanessa, Luisa und Co. sind Pionierinnen. Für die Borussia. Aber auch für den Frauenfußball an sich. Denn von der Aufmerksamkeit für den BVB profitiert die ganze Sportart. Vanessa ist da sogar gleich doppelt aktiv. Sie betreut soziale Projekte der Fußballakademie und hat zuletzt verstärkt mit fußballbegeisterten Mädchen zu tun.
Kapitänin der Mannschaft ist Luisa Bergmann. Gemeinsam mit ihren Teamkolleginnen eilt sie von Sieg zu Sieg. Aber was heißt „Kolleginnen“?
Ein sehr bekanntes Fußball-Buch für Kinder und Jugendliche heißt »Elf Freunde müsst ihr sein«. Geschrieben hat es der Sportreporter Sammy Drechsel 1955. Nach diesem Buch hat sich das bekannte FußballMagazin »11FREUNDE« benannt. Fußball-Fans wünschen sich noch
immer, dass ihre Lieblingsmannschaft aus elf Freunden besteht. Aber im männlichen ProfiFußball geht es leider nicht so oft um Freundschaft. Sondern um Siege und Geld. Irgendwann werden auch die Fußballerinnen von Borussia Dortmund um die Deutsche Meisterschaft spielen. Irgendwann bekommen auch die BVB-Frauen so viel Geld, dass
sie nicht mehr nebenbei arbeiten müssen. Spätestens dann wird die Freundschaft auf eine harte Probe gestellt.
Aber so weit ist es noch lange nicht. Vanessa und Luisa bekommen kein Geld dafür, dass sie für Borussia Dortmund spielen. Es ist sehr anstrengend für die Frauen, immer genügend Zeit für Fußball zu finden. Sie tun das, weil ihnen der Sport so viel bedeutet. Weil sie es so großartig finden, für den BVB zu kicken. Und weil sie tatsächlich zu elf Freundinnen geworden sind. Genauer gesagt: zu 24 Freundinnen. „Ich weiß nicht, wie die Verantwortlichen das gemacht haben“, fragt sich selbst Luisa Bergmann. „Aus so vielen unterschiedlichen Frauen muss
man erst mal eine so tolle Mannschaft bilden“, findet sie. „Wir sind vielleicht nicht alle beste Freundinnen. Aber wir halten alle eng zusammen.“
Trainer Thomas Sulewski kann ein Lied davon singen. Beziehungsweise singen lassen. Er erinnert sich an die Aufstiegsparty in der vergangenen Saison. Seine Mannschaft fuhr mit einem Linienbus durch Dortmund. Auf dem Bus waren die Spielerinnen abgebildet. „FrauenFußballmannschaften singen sehr gerne“, sagt Thomas und muss lachen.
„Manchmal auch ziemlich schief.“ Das Tolle an Fußball-Liedern ist: Sie hören sich auch schief gesungen noch ganz gut an.
Mit ein bisschen Glück findet die FrauenfußballWeltmeisterschaft 2027 auch in Dortmund statt. Die Stadt hat sich dafür beworben. Theoretisch könnte der BVB dann schon in der 2. Bundesliga spielen. Die meisten Spielerinnen von heute werden dann wohl nicht mehr dabei sein. Svenja, Luisa und Vanessa ist das egal. „Für mich ist das ein Kindheitstraum,
dieses Trikot tragen zu dürfen“, sagt Vanessa Kuhl. Mit 13 hat sie damals die EMail an den Verein geschrieben. Jetzt ist sie 31 Jahre alt und will mit Borussia Dortmund weitere Erfolge feiern. Die Liebesgeschichte geht weiter. Für Vanessa ganz besonders. In einem Trainerlehrgang hat sie Ingo Kuhl kennengelernt. Inzwischen sind sie verheiratet. Seit dieser
Saison gibt es sogar schon eine zweite Frauenmannschaft in Schwarz und Gelb. Der Trainer ist Vanessas Mann Ingo.
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