Stadtwerke
Guntram Pehlke fordert „Sondervermögen zur Bekämpfung der Energiemangellage“
Dortmunds Stadtwerke-Chef eröffnet den VKU-Kongress in Leipzig mit einem flammenden Appell an die Bundesregierung
Leipzig/Dortmund. Mit einem flammenden Appell an die Bundesregierung begann am Dienstagmorgen in Leipzig der Stadtwerkekongress des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). „Auf uns alle rollt ein Tsunami aus Kostenexplosionen und Forderungsausfällen zu. Die Politik muss jetzt schnell einen Schutzschirm für Bürger*innen und Stadtwerke aufspannen“, sagte Guntram Pehlke, Vorstandsvorsitzender der Dortmunder Stadtwerke AG (DSW21) und VKU-Vizepräsiden für die Sparte Energie. „Mein Eindruck ist, dass die Bundesregierung die Dramatik der Situation noch nicht verstanden hat oder nicht verstehen will. Vladimir Putin hat Europa den Energiekrieg erklärt – da darf man nicht kleckern. Man muss jetzt klotzen, um das System zu stabilisieren. Die kommunale Daseinsvorsorge ist systemrelevant. Wer denn sonst, wenn nicht wir?!“
Der Adressat saß in seinem Berliner Büro und war digital zugeschaltet. Für Dr. Patrick Graichen, Staatssekretär im grün geführten Wirtschafts- und Klimaschutzministerium von Robert Habeck, war es ein ungemütlicher Vormittag. Denn exakt in dieselbe Kerbe wie Guntram Pehlke schlugen auch die anderen Expert*innen in der Eröffnungsdiskussion des Kongresses: Michael Ebling (Oberbürgermeister von Mainz und VKU-Präsident), Julia Antoni (Geschäftsführerin Stadtwerke Oberursel) und Karsten Rogall (Geschäftsführer Stadtwerke Leipzig). „Wir benötigen einen Mechanismus, der uns Sicherheit gibt und sofort greift, wenn ein Stadtwerk in Not gerät“, sagte Ebling. „Ich fange ja auch nicht an, ein Fachgeschäft für Regenschirme zu suchen, wenn es längst in Strömen gießt. Die Politik muss ihr Mikadospiel beenden. Sie muss sich endlich bewegen und den Schutzschirm aufspannen. Jetzt!“
Wie ernst die Situation ist und wie bedrohlich sie sehr schnell werden kann, verdeutlichte DSW21-Chef Guntram Pehlke. „Wenn wir in Dortmund Forderungsausfälle von zehn Prozent hätten – und manche Experten befürchten weit mehr –, beläuft sich unser Risiko auf bis zu 100 Millionen Euro.“ Summen, verdeutlichte Ebling, die die Kommunalwirtschaft in existenzielle Nöte bringen können. „Können immer mehr Kund*innen, private wie gewerbliche, ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen, bekommen wir Versorger ein Liquiditätsproblem, das selbst das gesündeste Stadtwerk in ernsthafte Nöte stürzt.“
Deshalb, so die Forderung von Guntram Pehlke: „Wir brauchen keinen bunten Strauß von Maßnahmen, die möglicherweise irgendwann in Zukunft greifen. Das ist alles Unfug. Wir müssen uns vor die Lage bringen und verhindern, dass die Preisexplosion überhaupt bei den Bürger*innen und Unternehmen ankommt.“ Wie das geht, sagte Dortmunds Stadtwerke-Chef auch: über ein Sondervermögen, das die Bundesregierung auflegt, wie einst für die Kosten der Deutschen Einheit. „Die dafür erforderlichen neuen Kredite kann der Bund dann über Jahrzehnte gestreckt zurückführen.“
Doch genau an der Stelle hapert es, wie Staatssekretär Patrick Graichen durchblicken ließ: „Ich verstehe die Zusammenhänge und Probleme. Mir müssen Sie das nicht erklären.“ Die Diskussionen innerhalb der Ampelkoalition seien aber komplex, weil Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf der Schuldenbremse stehe. „Natürlich müssen wir eine starke Antwort auf Putin geben, aber es ist schwierig, wenn wir mit dem Finanzminister immer wieder um jeden Cent feilschen müssen.“
Eine Zustandsbeschreibung, die Julia Antoni unter dem Applaus des Plenums so kommentierte: „Mir ist es eigentlich egal, wer gerade Minister ist. Wir brauchen eine Lösung!“
Was auf dem Spiel steht, wenn es die nicht gibt, machten Michael Ebling und Guntram Pehlke deutlich: „Viele Bürgerinnen und Bürge wird die Preisexplosion schlicht überfordern“, so Ebling. Dabei dürfe man auch nicht ausblenden, so Pehlke, „dass wir Gefahr laufen, den gesellschaftlichen Frieden zu gefährden – und damit letztlich die Demokratie.“